Stress und Bewertungen: Im Stressmanagement dreht sich ja alles um Bewertungen. Denn ob wir eine Situation als stressig oder nicht erleben, hat selten etwas mit der Situation an sich zu tun, damit aber sehr viel mit unserer Bewertung derselben.
Wie wir Stresssituationen erleben und bewältigen, hängt sehr stark von unserer subjektiven Bewertung der Situation ab.
Laut dem kanadischen Psychologen Lazarus spielen kognitive Bewertungsprozesse eine zentrale Rolle dabei, ob und wie stark wir eine Situation als bedrohlich oder herausfordernd empfinden. Demnach ist es nicht die Situation an sich, die Stress auslöst, sondern unsere Interpretation derselben.
In meinem Artikel werde ich erklären, wie unsere automatischen Gedanken und Überzeugungen unser Stresserleben beeinflussen. Außerdem gebe ich Tipps, wie man lernt, Situationen neu zu bewerten und dadurch stressresistenter zu werden.
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Volltreffer: Die Macht der Bewertungen
Kennst Du die Geschichte von den 2 Pfeilen? Diese Geschichte erzählt wohl selbst der Dalai Lama sehr gerne. Und ich auch;) Hier wird sehr deutlich, wie Stress und Bewertungen entstehen:
Ein Mann wird von einem Pfeil getroffen. Das tut weh und hat womöglich eine böse Verletzung zur Folge. Doch der Mann schießt nun selbst noch einen zweiten Pfeil auf sich ab:
Er flucht, verzweifelt, klagt. Er fügt sich selbst weiteres Leid zu.
Der Schmerz des 1. Pfeils ist unvermeidbar.Der Schmerz des 2. Pfeils ist selbstgemacht und daher oft vermeidbar.
……
Da haben wir also mehr Macht , als wir glauben.
Bewertung: Der 1. Pfeil
Der 1. Pfeil beschreibt die Tatsache, dass wir im Leben sehr oft leidhafte und damit schmerzliche Erfahrungen machen:
- Liebeskummer
- alte Verletzungen
- Umbrüche
- Fehler, die wir gemacht haben
- Menschen, die wir verletzt haben und Menschen, die uns verletzten
- Dinge, die nicht so pralle gelaufen sind
- Sachen, die wir heute bedauern
- unerfüllte Wünsche
- Du fühlst Dich als Opfer der Umstände
- Worte, die wir nicht so meinten
- misslungene Unternehmungen oder Projekte
- Enttäuschungen aufgrund zu hoher Erwartungen
- Trauer aufgrund von schmerzlichen Verlusterfahrungen eines geliebten Menschen oder Tieres.
- wir werden krank
- die ausstehende Beförderung bekommt ein anderer
- ein geliebter Mensch stirbt
- eine Unternehmung misslingt
- Deine Erwartungen werden nicht erfüllt
- Du wirst nicht beachtet
- Du kämpfst mit dem Älterwerden und den damit einhergehenden Veränderungen
- …
Doch all das Leidhafte und Schmerzliche hat uns auch reifer und stärker werden lassen. Das Problem an all’ diesen leidvollen Erfahrungen ist also nicht die Erfahrung selbst. Es ist das Festhalten an und das sich „Nicht-Lösen-Können“ von diesen Erfahrungen – also die Bewertung!
Das ist aber noch nicht das eigentliche Problem, denn den wahren Stress verursacht das Folgende: das Abschießen des 2. Pfeils.
Bewertung: Der 2. Pfeil
Der 2. Pfeil ist Deine Bewertung des 1. Pfeils!
Der größte Teil unseres Leidens und damit Stresses entsteht durch unsere 2. Pfeile! Das sind die Pfeile, die wir uns selbst durch unsere Reaktionen, unsere Bewertungen und unsere Urteile zufügen.
Denn Stress entsteht nur in unserem Kopf.
Wie wir Situationen wahrnehmen und bewerten, hat großen Einfluss darauf, ob wir etwas als leidvoll und damit stressig erleben oder nicht.
Wenn wir befreiter leben wollen und damit entspannter und relaxter, dann ist es notwendig, stressverschärfende Gedankenmuster und Einstellungen zu erkennen und förderlichere Gedanken zu entwickeln.
Aber was genau ist der 2. Pfeil?
Nehmen wir mal an, Du gehst nachts durch Dein Schlafzimmer. Und weil Du zu faul bist, das Licht anzumachen, stößt Du Dir Deinen Zeh an einem Spielzeug, das Dein 8-jähriger Sohn liegen gelassen hat.
Der Schmerz – das Anhauen des Zehs – (1. Pfeil) ist unvermeidlich. Doch zu dem Schmerz gesellt sich nun noch Ärger (2. Pfeil):
„Warum kann der niiieee seine Sachen aufräumen. Ich habe ihm das schon hundertmal gesagt. Er hört einfach nicht auf mich. Wahrscheinlich bin ich ein schlechter Vater. Meiner war auch nicht besser (etc. etc. etc.) … Mist!“
Und was wirklich interessant ist: die meisten unserer „Zweite-Pfeil-Reaktionen“ treten dann ein, wenn nirgendwo ein erster Pfeil zu sehen ist.
Was sind Zweite-Pfeil-Reaktionen?
Rick Hanson beschreibt in seinem Buch „Das Gehirn des Buddha“ diesen Umstand sehr eindrücklich. Denn „Zweite-Pfeil-Reaktionen“ folgen oft auf Situationen, die eigentlich positiv sind.
Wenn Dir jemand ein Kompliment macht, ist das eine positive Situation.
Aber dann reagierst Du vielleicht mit Nervosität oder Scham und fängst an zu denken:
„Oooh, was will der jetzt von mir? Soll ich was machen? Oh nein, ich bin kein guter Mensch…vielleicht wird er herausfinden, wie ich wirklich bin…!“ usw. usw.
Du schießt selbst einen Pfeil auf Dich ab und hast damit einen unbewussten VOLLTREFFER erzielt. Das sorgt für Stress, der ab vermeidbar wäre. Doch so soll es ja nicht bleiben!
Vielleicht magst Du ja einen bewussteren VOLLTREFFER landen?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie Du förderlichere oder dienlichere Einstellungen und Gedanken zu Dir selbst oder dem Leben entwickeln kannst.
Einige davon kommen aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie.
Es hängt auch davon ab, welche Erfahrungen Du in Deinem bisherigen Leben gemacht hast, wie Du mit Stress im Allgemeinen umgehst, was für ein Typ Mensch
Du bist, wie Du sozialisiert wurdest, was Deine Eltern Dir mit auf den Weg gegeben haben, wie Deine Werte aussehen usw. Es braucht vielleicht auch hier ein paar Umwege, wie die folgenden Zeilen zeigen, aber am Ende ist alles gut.
Aber Du weißt ja: Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!
Welche Wege hast Du denn in der Zwischenzeit gefunden, um mit Deinen 1. Pfeilen anders umzugehen? Sie anders zu bewerten? Schreib’ mir hier gerne in die Kommentare;)
Ich wünsche Dir alles Gute.
Alles Liebe
Jeanette
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