Kennst Du das? So ein beklemmendes Gefühl breitet sich in Deiner Magengegend aus. Dir vergeht spürbar der Appetit und es fühlt sich an, als würde Dir jemand den Hals langsam zudrücken. Dein Atem geht schneller…, Dein Herz pocht wie verrückt. Schweiß tropft scheinbar aus jeder Pore. Dein Blick wird starr.
Ein eindeutiges Zeichen: Du bist verliebt! Neee. Ich meine hier so ne fiese Angst, die sich Deiner bemächtigt und an Deiner Kehle abwärts in Richtung Magen kriecht. Und diese Angst springt Dich oft urplötzlich an, wie ne Katze, die Panik hat.
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Verliebt oder doch Angst?
Die Symptome sind denen des Verliebtsein recht ähnlich. Und tatsächlich wird sowohl beim Verliebtsein, als auch im Zustand der Angst, Dein Körper in eine Art Alarmbereitschaft versetzt und eine ganze Kaskade von Botenstoffen ausgeschüttet, zum Beispiel das bekannte Adrenalin.
Aber im Gegensatz zum Zustand des Verliebtseins wird’s im Zustand der Angst recht schnell unlustig.
Doch das Interessante an der Angst ist Folgendes:
Die meisten unserer Ängste kommen gar nicht als sog. Real-Angst vor.
Realangst & Furcht
Die Realangst ist das, was wir gemeinhin als Furcht bezeichnen, also das Gefühl einer realen Bedrohung.
Sie bezeichnet die Reaktion unseres Körpers auf eine momentane oder sich in unmittelbarer Zukunft befindende Gefahr. (Wikipedia; leicht abgeändert)
Und dieses Instrument der Furcht ist durchaus sinnig und somit lebensnotwendig, da sie dazu motiviert, gegen diese Gefahren nützliche Abwehrmaßnahmen oder Abwehrstrategien zu ergreifen.
Das lässt uns dann wachsamer werden oder einfach hellhöriger oder hellsichtiger, da sich unsere Pupillen weiten, damit wir besser sehen können.
Unsere gesamten Sinne werden geschärft.
Und das ist in einer Bedrohungslage durch-aus sinnvoll. Schließlich können wir deshalb blitzschnell und zwar reflexhaft entscheiden, ohne nachzudenken, ob wir lieber kämpfen oder doch besser die Beine in die Hand nehmen wollen und flugs abhauen.
Aber das Problem liegt eigentlich ganz wo anders.
Das Sich-Sorgen-Machen
In Wahrheit brennt es ja recht selten in unserem Alltag und wir werden auch eher selten von zähnefletschenden Monstern gejagt.
Unsere Ängste spielen sich eher als Zukunftsängste in unserem Kopf ab.
Als eine Art Sorgenmachen vor einer schrecklichen Zukunft im Dolby Surround-HDTV-Horrorformat.
Oder mit furchtbaren „Mist-das-das-so-gelaufen-ist“-Bildern aus der Vergangenheit, auch wenn die Vergangenheit erst mal paar Sekunden alt ist.
Wir zerdenken förmlich unsere Vergangenheit mit so Gedanken wie:
- Warum hat der das gesagt?
- Das hätte mir nicht passieren dürfen.
- Warum habe ich das getan oder nicht getan?
- Ich bin so ein Idiot! oder
- Der andere ist so ein Idiot!
- … und auch immer wieder schön: DAS MACHT MAN NICHT!
Als würde das was ändern.
An dem Satz ist nur schön, dass er das Wort MACHT beinhaltet. Und genau darum gehts: Um die Zurückeroberung der MACHT.
Oder wie in Star Wars, um das ERWACHEN der MACHT.
Doch zurück zu den Sätzen.
Diese Gedanken können einem den Tag ganz schön vermiesen.
Und wenn Du jeden Tag diese Gedanken mehrmals denkst, sind diese Gedanken absolute Garanten für ein richtig unschönes und unglückliches Leben. Garantiert!
Doch das wollen ja die wenigsten führen. Aber wie kann man das ändern?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, wo die Angst eigentlich zuhause ist!
Wo sitzt eigentlich die Angst und noch spannender: Wer steuert sie?
In unserem Gehirn ist für die Angst u. a. ein Teil des Limbischen Systems zuständig: die sog. Amygdala oder fachfrauisch ausgedrückt: das Corpus amygdaloideum, die paarig in einem Temporallappen des Großhirns sitzt.
Das Max-Planck-Institut schreibt hier in einem Artikel auf ihrer Seite: „…Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie haben jüngst Nervenzellen in einer Hirnregion, dem “erweiterten Amygdalakomplex”, lokalisiert, die für die Regulierung unserer Furcht- und Angstreaktionen verantwortlich sind. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Fachmagazin “Molecular Psychiatry” veröffentlicht. Bei den meisten Menschen lassen Furcht- und Angstreaktionen rasch nach, sobald die bedrohliche Situation vorüber ist. Bei manchen jedoch bleibt die Angst bestehen…
https://www.psych.mpg.de/2225510/pm1573-stress-reaction-anxiety
Doch wir wollen uns hier mit den eher „harmloseren“, aber nicht weniger nervenden und angstmachenden Ängste beschäftigen und nicht mit traumatischen.
Wissenswertes zur Amygdala
Die Amygdala (es gibt 2 davon, jeweils in der rechten und linken Gehirnhälfte) gleicht ihrem Aussehen nach einer Mandel, daher wird sie auch Mandelkern genannt.
Sie springt immer dann an, wenn über unsere 5 Sinne (Hören, Sehen, Riechen, Fühlen, Schmecken) mögliche Gefahrenquellen entdeckt werden.
Unsere Amygdala ist dabei aber sehr selbständig und autark, denn sie veranlasst ohne Zuschaltung der „Geschäftsleitung“ (= dem Großhirn) die Ausschüttung von z. B. Stresshormonen.
Und immer dann, wenn aufgrund von vermuteten Gefahren Emotionen wie z. B. Angst oder Wut auftauchen, wird sie aktiviert. Daher ist sie eine Art Gefahrenschaltzentrale und soll uns eigentlich nur helfen und uns vor Schaden bewahren.
Aus diesem Grund nenne ich „meine“ Amygdala liebevoll „Amy“ und habe eine Art persönliche Beziehung zu ihr aufgebaut;) Denn sie hilft mir, mögliche Gefahrenquellen zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Mittlerweile habe ich sie echt schätzen gelernt, da ich weiß, dass sie mich eigentlich nur beschützen will.
Unsere kleine Diva
Manchmal ist sie allerdings etwas überempfindlich, neigt zu Übertreibungen und agiert oft wie eine Diva. Deshalb nenne ich sie liebevoll meine Drama-Queen.
Doch bei manchen Menschen wurde sie bereits in Kindertagen ein bisschen überstimuliert, teils weil das Umfeld nicht so prickelnd war oder der Mensch sich mit seinen Bezugspersonen nicht sonderlich sicher, behütet oder beschützt fühlte.
Je nach Situation, Verfassung oder Tagesform kann es dann sein, dass sie schon bei der kleinsten potentiellen Gefahr anspringt. Das ist übrigens auch bei Menschen so, die eine einigermaßen behütete Kindheit hatten.
Dann fährt die Amy so richtig zur Hochform auf und gibt alles, was man von einer echten Drama-Queen erwarten kann:
Sie macht aus vielen klitzekleinen Mücken viele putzige Monster-Elefanten.
Der Protector
Und wenn sie das macht, dann ist es hilfreich einen Protector an der Seite zu haben bzw. einzuschalten. Auch zu meinem „Protector“ pflege ich ein sehr kollegiales Verhältnis, also zu meinem Hirn oder besser gesagt zu meinem Großhirn.
Ich nenne diesen Zuständigkeitsbereich meines Großhirns „Protector“, weil ich ihn mir wie eine Art Bodyguard oder eine Bodyguardine vorstelle. Breitschultrig, muskulös…ein echter Hingucker.
Der Protector ist quasi der Chef von Amy.
Aber wie in jedem guten Unternehmen gibts ja immer Mitarbeiter, so auch Amy, die es besonders gut meinen, dann aber doch übers Ziel hinausschießen. Das Ziel mag ok sein, dass Vorgehen ist eher ausbaufähig.
Ich führe sozusagen Selbstgespräche und bespreche mit Amy laut oder in Gedanken den derzeitigen Ist-Stand und erörtere mit ihr (oder mir) die Situation.
An einem wahren Beispiel aus meiner Praxis und meinem Kopf will ich Dir das verdeutlichen.
Zwiegespräch mit Amy
Es ist Freitagmorgen. Ich sitze gemütlich bei einer Tasse Kaffee zuhause. Plötzlich klingelt das Telefon. Ein Klient ruft an und erklärt mir, dass er vor verschlossener Tür steht. Wir hätten einen Termin gehabt. Ich bin sehr aufgeregt, denn ich habe ihn doch glatt vergessen. Ich entschuldige mich bei ihm und mache einen Terminvorschlag. Er will später wieder melden.
Nach dem Telefonat geht der Aufruhr in meinem Kopp aber erst so richtig los.
Für mich ein klares Zeichen: Amy is in the house oder am Start:
Amy: „Oh nein, oh nein…das ist ja furchtbar. Paaanik! Was denkt der jetzt von uns…“
Ich: „Hey Amy, ja das war nicht so pralle. Ich bin noch ganz aufgewühlt.
Amy: „Ja, aber wie blöd kann man denn auch sein. Hast Du keinen Kalender?
Ich: „Doch, aber ich hab vergessen ihn einzutragen. Und übrigens … atme mal tief durch. Du schiebst schon wieder Panik…!“
Amy: „Aber hast DU nicht gehört, wiiiiie enttäuscht er war, häää?“
Ich: „Beruhige Dich! Der war nicht enttäuscht, nur gefrustet. Is’ ja auch sein gutes Recht. Ich habe mich doch entschuldigt und gesagt, dass es mir sehr leid tut.!
Amy: „Ja, schon, aber ich mach mir echt Sorgen, ob der überhaupt nochmal wiederkommt. Und dann wirst Du nichts mehr verdienen, und, und wir haben nichts mehr zu essen und müssen unter der Brücke schlafen und, und… keiner will mehr was mit uns zu tun haben… und, und… wir werden ausgegrenzt und schließlich einsam sterben…!“
Ich: „Schau Amy! Eigentlich ist alles roger. Wir haben genug zu essen (Blick in den Kühlschrank hilft). Schau, wir haben ein Dach über dem Kopf und einen Platz, wo wir schlafen können.“
(Fortsetzung folgt …)
Aber erstmal … Was sagt die Hirnforschung dazu?
Hier sei erwähnt, dass die moderne Gehirnforschung herausgefunden hat, dass man tatsächlich mit seiner Amy reden kann (und auch sollte) bzw. dass sie über Gedanken beeinflussbar ist.
Daher mach ich einfach weiter und quatsch sie regelrecht voll. Ich erörtere ihr alles, für was wir derzeit so dankbar sind, was wir besitzen, also was DA ist und was nett oder wertvoll ist.
Diese Form der Selbstgespräche könnte man auch konstruktive Lebensführung nennen oder mit dem Fachausdruck aus der Verhaltenstherapie: kognitives Umstrukturieren.
Das heißt letzten Endes nur, dass wir wieder die Kontrolle über unser Oberstübchen zurückbekommen und uns nicht von den Ärger-Hormonen regieren lassen.
Doch sei darauf gefasst, dass Amy nicht so leicht locker lässt, denn sie ist nicht nur schlau, sondern auch hartnäckig.
Amy: „Ja, und was ist, wenn wir in der Gosse landen wegen deinem Fehler? Nix zu futtern, nix warm….bääääh dreckig und kalt….oh nein…wir werden steeeeerben …“ (denn das ist die größte Befürchtung von Amy, dass sie ausgegrenzt wird.
Denn früher, also so vor ca. 300.000 Jahren (die Forschung hat erwiesen, dass wir doch älter sind, als 200.000 Jahre;) bedeutete Ausgrenzung den sicheren Tod. Und vor dem Tod da fürchtet sie sich mehr als vor allem anderen auf der Welt. Deshalb macht sie auch immer so ein Terz wegen jeder Kleinigkeit. Doch ich nehm sie durchaus ernst und sage ihr…
Ich: „Aber Amy, wir haben doch noch Freunde … und niemand grenzt uns aus. Ich darf Fehler machen und wichtig ist nur, dass ich dazu steh, ok? Und Du weißt doch was man über Fehler sagt?
Amy: “Ne, was?”
Ich: “Na bilde mal mit den gleichen Buchstaben aus dem Wort FEHLER ein anderes Wort, das Du kennst.”
Amy: “Hmmmm….hmmm …!” (Sie denkt. Und denkt! In der Zwischenzeit hast Du keinen Stress, denn Amy ist beschäftigt und Dir gehts richtig gut. Also Ablenkung ist auch immer ein ganz wertvoller…) “….aaaah HELFER!”
Ich: “Jaaaa Amy, Du bist die Beste…. !” (Komplimente machen und loben, loben und es ernst meinen…) “Ach, guck … er hat grade ne Nachricht geschrieben und den Termin bestätigt .”
Warum lächeln so wichtig ist!
Und dann lächle ich und lächle was das Zeug hält. Mindestens 1 Minute oder auch nur 60 Sekunden, aber ich lächle und lächle.
Denn das ist für Amy das Signal: „Ok, die Trulla lächelt, dann muss ja alles roger sein.“
Denn wer lächelt, der aktiviert soviel Muskeln in seinem Gesicht, die wiederum mit der Hormonzentrale rückgekoppelt sind, dass der Stress runterfährt.
Deshalb ist lächeln auch wichtig, aber eben erst, nachdem wir unsere Ängste, den Ärger, die Sorge oder das Gefühl im allgemeinen respektiert und beachtet haben. Denn es ist ja nicht umsonst da.
Eine Emotion soll uns ja zu einer Handlung bewegen.
Schließlich stammt das Wort Emotion vom lat. Wort emovere, was soviel wie herausbewegen oder emporwühlen bedeutet. Es steckt daher auch im Wort Lokomotive;)
Also wenn ein Gefühl kommt, dann bedeutet das, dass wir innehalten und kurz lauschen müssen. Daher ist Achtsamkeit auch so wichtig, da wir dadurch lernen, uns selbst gut zu fühlen.
Oder wie eine Psychologin, deren Namen ich vergessen habe, das ausdrückte:
„Wir werden dann krank, wenn wir uns nicht gut fühlen.“
Ein herrliche Doppeldeutigkeit, oder?
Achja…und was war mit Amy?
Nachdem sie mich lächeln „gesehen“ hat, meinte sie nur:
Alles klar, dann leg ich mich wieder hin.;)
Amy ist einfach toll und obwohl sie so gerne Dramen inszeniert, liebe ich sie!
Sie ist eben eine echte „Queen of Drama“.
So jetzt wünsche ich Dir einen entspannteren Umgang mit Deiner Angst und viele tolle Gespräche mit Amy. Bis dann!
Deine Jeanette
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